Die
Geschichte von Lea
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Ich weiß nicht
mehr viel von dem Ort, wo ich geboren bin. Es war eng und dunkel und nie spielte
ein Mensch mit uns. Ich erinnere mich noch an Mama und ihr weiches Fell, aber
sie war oft krank und sehr dünn. Sie hatte nur wenig Milch für mich und meine
Brüder und Schwestern. Die meisten von ihnen waren plötzlich gestorben.
Als sie mich von meiner Mutter wegnahmen, hatte ich furchtbare Angst und war
so traurig. Meine Milchzähne waren kaum durchgestoßen und ich hätte meine Mama
doch noch so sehr gebraucht. Arme Mama, es ging ihr so schlecht.
Die Menschen sagten, daß sje jetzt endlich Geld wollten und daß das Geschrei
meiner Schwester und mir ihnen auf die Nerven ging.
So wurden wir eines Tages in eine Kiste verladen und fortgebracht. Wir kuschelten
uns aneinander und fühlten wie wir beide zitterten, ohnmächtig vor Angst. Niemand
kam, um uns zu trösten.
All diese seltsamen Geräusche und erst noch die Gerüche - wir sind in einem
"Petshop", einem Laden, wo es viele verschiedene Tiere gibt. Einige miauen,
andere piepsen, einige pfeifen. Wir hören auch das Wimmern von andern Welpen.
Meine Schwester und ich drücken uns eng zusammen in dem kleinen Käfig.
Manchmal kommen Menschen uns anschauen, oft ganz kleine Menschen, die sehr fröhlich
aussehen, als wollten sie mit uns spielen.
Tag um Tag verbringen wir in unserem kleinen Käfig. Manchmal packt uns jemand
und hebt uns hoch um uns zu begutachten. Einige sind freundlich und streicheln
uns, andere sind grob und tun uns weh.
Oft hören wir sagen "oh, sind die süß, ich will eines", aber dann gehen die
Leute wieder fort.
Letzte Nacht ist meine Schwester gestorben. Ich habe meinen Kopf an ihr weiches
Fell gelegt und gespürt, wie das Leben aus dem dünnen Körperchen gewichen ist.
Als sie sie am Morgen aus dem Käfig nehmen sagen sie, sie sei krank gewesen
und ich sollte verbilligt abgegeben werden, damit ich bald wegkomme. Niemand
beachtet mein leises Weinen, als mein kleines Schwesterchen weggeworfen wird.
Heute ist eine Familie gekommen und hat mich gekauft ! Jetzt wird alles gut!
Es sind sehr nette Leute, die sich tatsächlich für mich entschieden haben. Sie
haben gutes Futter und einen schönen Napf dabei und das kleine Mädchen trägt
mich ganz zärtlich auf den Armen. Ihr Vater und Mutter sagen, ich sei ein ganz
süßes und braves Hündchen.
Ich heiße jetzt Lea.
Ich darf meine neue Familie sogar abschlabbern, das ist wunderbar. Sie lehren
mich freundlich, was ich tun darf und was nicht, passen gut auf mich auf, geben
mir herrliches Essen und viel, viel Liebe. Nichts will ich mehr, als diesen
wunderbaren Menschen gefallen und nichts ist schöner als mit dem kleinen Mädchen
herumzutollen und zu spielen.
Erster Besuch beim Tierarzt. Es war ein seltsamer Ort, mir schauderte. Ich bekam
einige Spritzen. Meine beste Freundin, das kleine Mädchen, hielt mich sanft
und sagte, es wäre ok, dann entspannte ich mich.
Der Tierarzt schien meinen geliebten Menschen traurige Worte zu sagen, sie sahen
ganz bestürzt aus. Ich hörte etwas von schweren Mängeln und von Displasie E
und von Herz zwei. Er sprach von wilden Züchtern und das meine Eltern nie gesundheitlich
getestet worden seien. Ich habe nichts von alledem begriffen aber es war furchtbar,
meine Familie so traurig zu sehen.
Jetzt bin ich sechs Monate alt. Meine gleichaltrigen Artgenossen sind wild und
stark, aber mir tut jede Bewegung schrecklich weh. Die Schmerzen gehen nie weg.
Außerdem kriege ich gleich Atemnot, wenn ich nur ein wenig mit dem kleinen Mädchen
spielen will. Ich möchte so gerne ein kräftiger Hund sein, aber ich schaffe
es einfach nicht. Vater und Mutter sprechen über mich. Es bricht mir das Herz,
alle so traurig zu sehen.
In der Zwischenzeit war ich oft beim Tierarzt und immer hieß es "genetisch"
und "nichts machen". Ich möchte draußen in der warmen Sonne mit meiner Familie
spielen, möchte rennen und hüpfen. Es geht nicht.
Letzte Nacht war es schlimmer als eh und je. Ich konnte nicht einmal mehr aufstehen
um zu trinken und nur noch schreien vor Schmerzen.
Sie tragen mich ins Auto.
Alle weinen. Sie sind so seltsam, was ist los ? War ich böse ? Sind sie am Ende
böse auf mich ? Nein, nein, sie liebkosen mich ja so zärtlich. Ach wenn nur
diese Schmerzen aufhörten! Ich kann nicht mal die Tränen vom Gesicht des kleinen
Mädchen ablecken aber wenigstens erreiche ich seine Hand.
Der Tisch beim Tierarzt ist kalt. Ich habe Angst. Die Menschen weinen in mein
Fell, ich fühle, wie sehr sie mich lieben. Mit Mühe schaffe ich es, ihre Hand
zu lecken. Der Tierarzt nimmt sich heute viel Zeit und ist sehr freundlich,
und ich empfinde etwas weniger Schmerzen.
Das kleine Mädchen hält mich ganz sanft, ein kleiner Stich... Gott sei Dank,
der Schmerz geht zurück. Ich fühle tiefen Frieden und Dankbarkeit.
Ein Traum: ich sehe meine Mama, meine Brüder und Schwestern auf einer großen
grünen Wiese. Sie rufen mir zu, das es dort keine Schmerzen gibt, nur Friede
und Glück.
So sage ich meiner Menschenfamilie Auf wiedersehen auf die einzige mir mögliche
Weise: mit einem sanften Wedeln und einem kleinen Schnuffeln.
Viele glückliche Jahre wollte ich mit Euch verbringen, es hat nicht sein sollen.
Statt dessen habe ich Euch so viel Kummer gemacht.
Es tut mir leid, ich war halt nur eine Händlerware.
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